Der afrikanische Zehenwebstuhl

Der afrikanische Zehenwebstuhl*, auch Schmalbandwebstuhl genannt, ist in ganz Westafrika verbreitet. Traditionsgemäß weben auf diesem Webstuhl ausschließlich Männer. Durch seine Bauweise lässt er sich leicht in seine einzelnen Bestandteile zerlegen und transportieren.

Aufbau und Funktion

Vor dem Aufbau muss der Weber vier Löcher im Boden für die Pfosten ausheben. In jedes Loch legt er einen Baumwollsamen, bevor er die Pfosten einsetzt.

Zehenwebstuhl

Bei den Dogon, einer Volksgruppe, die im Osten von Mali und Nordwesten von Burkina Faso lebt, wird der Webstuhl entsprechend den wichtigsten vier Punkten der Erde aufgestellt. Die Kette verläuft dabei immer in Nord-Süd-Richtung, wobei der Weber im Norden sitzt und die Kette nach Süden gespannt wird. Der Norden ist die bevorzugte Richtung des Schöpfergottes Amma und seines Sohnes Nommo. Der Schlussfaden kreuzt die Kettfäden in Ost-West-Richtung.

Über dem Weber ist eine Querstange angebracht, an der das Webgeschirr hängt. Dieses besteht aus der Lade mit dem Webkamm sowie zwei Schäften. Die Schäfte mit den Litzen, durch die die Kettfäden verlaufen, sind oben über einen Lederstreifen, eine Rolle oder einen reich verzierten Webspulen- bzw. Schafthalter miteinander verbunden. Dieser Webspulenhalter hat eine zentrale Bedeutung. Er sitzt über dem Kopf des Webers und gibt ihm die Ideen ein. Unten sind die Schäfte mit Schnüren versehen, an die jeweils ein Tritt oder ein Querholz angebracht ist. Auf diesen Tritt stellt der Weber seine Füße, wobei die Schüre zwischen seinen Zehen durchlaufen (daher der Name Zehenwebstuhl).

Die Kette, die oft 30m und länger ist, wird um einen großen Stein gewickelt und auf diese Weise straff gespannt. Der Stein wiederum liegt auf einem hölzernen Schlitten und kommt mit Fortschreiten der Webarbeit immer näher.

Webgeschirr Zehenwebstuhl

Das Gewebe

Gewebt werden auf diese Weise Bänder ("finimugu") unterschiedlicher Breite, meist zwischen 10-18 cm. Die Bänder können jedoch auch breiter oder schmaler sein. Auf dem Webstuhl aus Nordkamerun in der Sammlung des Museums können nur 6-8 cm breite Bänder gewebt werden. Die fertigen Bänder werden dann zurecht geschnitten und zu Decken oder Kleidungsstücken zusammengenäht. Das ist zwar aufwändig, da die Nähte sorgfältig ausgeführt werden müssen, um haltbar zu sein, aber auch praktisch. Eine defekte Webbahn in einer Decke oder Hemd kann herausgetrennt, möglicherweise auch durch eine neue ersetzt werden.

Hemd auf dem Zehenwebstuhl gewebt

Je breiter die Bahnen sind, umso schneller ist ein Stück fertig. Umgekehrt ist die Arbeit des Webens und Zusammennähens bei schmalen Bahnen umso größer und aufwändiger, das fertige Stück daher teurer. Solche Stücke zeugen von großem Prestige der TrägerInnen. Werden die Bänder nicht gleich verarbeitet, wickelt man sie zu großen Rollen. Sie werden auf dem Markt verkauft oder dienen als Zahlungsmittel.

 

Alte Technik

Vor dem Zehenwebstuhl nutzen die Dogon eine andere Art zu Weben, die heute kaum noch bekannt ist. Ein Modell von diesem Webstuhl findet ihr mit einer Erklärung in unserem kleinen YouTube-Film - und natürlich live im Museum.

vergessener Webstuhl der Dogon

*Der ausführliche Artikel zum Thema Zehenwebstuhl und Bogolan-Färben in unserem Museum erschien im Heft "Lavendelschaf" 33/2010 unter dem Titel "Westafrikanische Sternstunde".

Quellen / Weiterführende Literatur:

John Gillow und Bryan Sentance: Atlas der Textilien. Verlag Paul Haupt, Bern,Stuttgart,Wien, 1999
Margaret Courtney-Clarke: Die Farben Afrikas. Verlag Frederking&Thaler, München, 1993
Berhard Gardi(Hrsg.): Raffiniert und schön – Textilien aus Westafrika. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Museum der Kulturen Basel. Christoph Merian Verlag, 2009
India Flint: Eco Colour – botanical dyes for beautiful colour. Murdoch Books, 2008