Geschichte der Spinnräder

Um die Entwicklung des Spinnens und der Spinnräder zu verstehen, muss man in der Geschichte weit zurück gehen.

Die Anfänge - Die Handspindel

Die Menschheit spinnt seit Jahrtausenden Fasern zu Fäden, um damit Stoffe herzustellen. Bis in das Mittelalter nutzte man in Europa überwiegend Handspindeln in verschiedenen Varianten, um aus pflanzlichen oder tierischen Fasern Garn herzustellen. Die ältesten Funde von Spindeln stammen aus der Jungsteinzeit. Zunächst nutzte man vermutlich einen Spinnstock, doch schon seit dem 6. Jahrtausend vor Christus sind Spindeln mit Wirteln bekannt. Weitere sind etwas später auch auf ägyptischen Wandmalereien, griechischen Vasen und einem Tongefäß aus Ungarn zu sehen. Die ersten schriftlichen Erwähnungen finden sich z.B. bei den römischen Schriftstellern Columella, Vitruv, Cato und Plinius d.Ä.

Fortschritt - die Spindelräder und Charkhas

In Indien wurden bereits im 9. Jahrhundert Charkhas als Weiterentwicklung der Handspindel genutzt.  In Europa tauchen die ersten handbetriebenen Spindelräder erst im 13. Jahrhundert auf, bei denen die Spindel waagerecht gelagert und über einen Riemen mit einem Antriebsrad verbunden ist. Dieses Antriebsrad wird mit einer Hand gedreht, während die andere Hand die Fasern auszieht. Um den fertig gesponnenen Faden aufzuwickeln, muss der Spinnvorgang nicht mehr (anders als bei der Handspindel Handspindel) unterbrochen werden. Um die Qualität der verwendeten Garne, bzw. der damit hergestellten Stoffe zu schützen, wurde die Verwendung des Spindelrades in vielen Zünften verboten. Mit der Handspindel konnten Garne von besserer Qualität hergestellt werden.

Die Neuerung - der Spinnflügel

Das Verbot von Spinndelrädern hielt in manchen Regionen bis ins 15. Jahrhundert an. Erst jetzt, mit der Erfindung des Spinnflügels, wurden Faden-Herstellung und Aufwickeln zu einem einzigen Vorgang: das Rad muss immer noch mit der Hand gedreht werden, aber der gesponnene Faden wird kontinuierlich auf die Spule aufgewickelt. Die älteste Darstellung eines solchen handbetriebenen Flügelspinnrades findet sich im Mittelalterlichen Hausbuch der Familie Waldburg-Wolfegg (um 1480). Auch Leonardo da Vinci hat an der Verbesserung des Spinnrades gearbeitet. Von ihm gibt es den Entwurf eines Flügelspinnapparates aus dem Jahr 1490.

Spinnflügel

Der letzte Schliff - der Fußantrieb

Im 17. Jahrhundert gabt es dann einige wesentliche Neuerungen:
1635 tauchen die ersten Antriebsräder mit festem Radkranz auf. Bis dahin waren die leicht zu bauenden Bandfelgen gebräuchlich. Die neuen Spinnräder mit festem Radkranz wurden jetzt von Drechslern gefertigt.

Fußantrieb

Auf einem Gemälde aus dem Jahr 1659 ist erstmals ein fußbetriebenes Spinnrad zu sehen, bei dem ein Trittbrett über eine Stange mit dem Antriebsrad verbunden ist. Möglicherweise kam ein Drechsler auf die Idee, das Prinzip des Fußantriebs seiner Drehbank auf das Spinnrad zu übertragen.
Als eine Sonderform entwickelte sich das sogenannte Hungerspinnrad, welches mit zwei Flügeln ausgestattet war, sodass man mit großem Geschick zwei Fäden gleichzeitig spinnen konnte. Somit konnte man seinen kärglichen Lohn verdoppeln, musste allerdings ein Meister seines Fachs sein, um das Gerät zu beherrschen.

Die Industrialisierung - Ende der Spinnräder?

1764 erfand James Hargreaves die „Spinning Jenny“, die das Spinnen nun automatisierte. Die Erfindung der Spinning Jenny wird neben der Erfindung der Dampfmaschine als Beginn der Industrialisierung bezeichnet. 1769 folgte die „Waterframe“ von Richard Arkwright, welche als erste in größerem Umfang industriell eingesetzt wurde und einen Wasserantrieb hatte.
Das Spinnrad hatte trotz der Industrialisierung nicht ausgedient. In den Haushalten surrte insbesondere im ländlichen Raum weiterhin die Spinnräder und lieferten den Hauswebern Garne aus Flachs und Hanf für die Herstellung von Stoffen. Auch Handspindeln wurden weiterhin genutzt, waren sie doch leicht zu transportieren und jederzeit bei einer kleinen Pause einsatzbereit.

Quellen / Weiterführende Literatur:
Sigrid Vogt: Geschichte und Bedeutung des Spinnrads in Europa Shaker Media, Aachen 2008
Almut Bohnsack: Spinnen und Weben Entwicklung von Technik und Arbeit im Textilgewerbe Rowohlt, Hamburg 1981
Ulrike Claßen-Büttner: Spinnst Du? Na klar! Geschichte, Technik und Bedeutung des Spinnens von der Handspindel über das Spinnrad bis zur Industriellen Revolution. Isenbrunn 2009